„Wir erschossen auch Hunde“ war der Titel von Phil Klays erstem Buch, mit dem er 2015 schon bei den Erich Fried Tagen zu Gast war, wie uns Festivalleiterin Anne Zauner in ihren Begrüßungsworten erzählt. Mit seinem aktuellen Roman „Den Sturm ernten“ (im Original „Missionaries“) ist er diesmal zu Gast, das Gespräch mit dem Autor führt Sebastian Fasthuber.
Klays Literatur dreht sich um den Krieg. Der US-amerikanische Autor ist selbst ehemaliger Marine und war 2007 für dreizehn Monate im Irak. Er wolle sich nicht auf einen einzigen Konflikt konzentrieren, außerdem brauche es verschiedene Stimmen, um den Krieg greifbar zu machen, daher sind es vier verschiedene Perspektiven, aus denen Klays Buch erzählt ist, und vier kurze Lesungen, die ins Gespräch eingestreut sind.
Die erste ist eine Innenschau des Kolumbianers Abel, seine Erinnerung an die Zeit davor, vor einem Einschnitt, einem Bruch, der nicht benannt wird. Die Erinnerung an das Dorf, den Matsch, den kolumbianischen Jungen, der er war. Wie an die Figur in einem Film, so fremd erscheint er sich selbst in der Rückschau. Die Freunde, die Familie, die Feinde, die bekannte Umgebung – all das seien kleine Spiegel, in denen man sich selbst sieht und so erst zu einer realen Person wird. Was passiert, wenn diese Spiegel, einer nach dem anderen, genommen werden? Das Fleisch, das Blut und die Knochen wandeln weiter durch die Welt, aber die Person darin stirbt, aus Abelito wird Abel – so sinniert der Text.
Kolumbien spielt nicht die zentrale Rolle in Klays Roman. Sein Hauptaugenmerk liegt auf der US-amerikanischen Kriegsführung, deren Brillanz und Präzision der Autor nicht müde wird zu erwähnen. Die Drohne oder der Navy Seal, der am Ende den konkreten Akt der Tötung vollzieht, sei nur der allerletzte Ausläufer einer gigantischen Maschinerie, eines „highly sophisticated mechanism for killing people.“ Dahinter stecken zahllose Behörden, Geheimdienste und Informationsflüsse, die wie Zahnräder ineinander greifen. Doch diese Prozesse seien schwer zu sehen – Klay möchte sie mit seiner Literatur sichtbar und lesbar machen.
Die nächste Lesestelle versetzt uns in die Perspektive einer Journalistin in Afghanistan 2015, zu einem Zeitpunkt, als die Öffentlichkeit schon aufgehört hatte, sich für diesen Krieg wirklich zu interessieren, während die Presseleute vor Ort immer noch in Lebensgefahr waren. „Kabubble“, wie Kabul unter den Amerikanern vor Ort genannt wurde, als ein Ort mit geschmuggeltem Heineken und Steaks, an dem man sich selbst und einander heldenhafte Lügengeschichten darüber erzählt, warum die eigene Präsenz hier noch Sinn hat.
Er selbst, so Klay, ging in den Krieg im Irak ohne Illusionen. Er wusste, dass es keine Massenvernichtungswaffen dort gebe. Seinen Einsatz erlebte er dennoch als sinnvoll, als Teil einer Phase der Beruhigung. Er arbeitete mit der lokalen Bevölkerung zusammen. Die Razzien seiner Einheit waren allesamt von irakischen Richtern beschlossen und von einer solchen handelt ein weiterer Romanauszug:
Eine bibbernde Tochter mit Halbseitenlähmung und einen verwirrten geistig beeinträchtigten Sohn findet die Special-Forces-Einheit beim Zugriff auf Al-Zawba’s Haus vor und steht vor einem Dilemma. Der Vater muss mitgenommen werden. „Was wird aus meiner Tochter?“, fragt er.
Wenn man als kleines Zahnrad in ihr eingespannt sei, so Klay, glaubt man, es gebe keine Ideologie in der Maschine. Das ist nicht so. Er möchte zeigen, dass die Perspektive dessen, der in den Prozessen verstrickt ist, mit einer spezifischen Moral verbunden ist, mit einem spezifischen Begriff von Gesellschaft und Welt. Die Ideologie wird aus den Werkzeugen selbst geboren.
Die letzte Lesestelle führt uns in die Kommandozentrale des Drohnenkrieges. „Es war eine Schande, dass sie das wohl nicht zu schätzen wussten“, so der diensthabende Offizier über die Gäste eines Begräbnisses, die in wenigen Sekunden aufhören werden zu atmen, wenn der Sprengkörper sie trifft. Es folgt eine detaillierte Beschreibung der Freisetzung der Bombe aus ihren Halterungen, ihres Herunterfallens, Trudelns und ihrer langsamen Stabilisierung, der Aktivierung der Laserzielerfassung – der letzte Schritt einer langen Kette aus Geheimdienstinformationen, die eine chinesische Drohne über diese Beerdigung im Jemen schickte, gesteuert von einem Piloten über ein schwedisches Funknetzwerk – ob die zu Tötenden diese gefinkelte Infrastruktur wohl wertschätzen könnten, fragt sich der Offizier.
„Es liegt eine Schönheit im Krieg“, so Klay in seinem Interview im Standard, auf das Sebastian Fasthuber ihn anspricht. Ja, man müsse über alle Aspekte des Krieges sprechen, um zu wissen, womit man es zu tun hat, so der Ex-Marine und dabei klingt er selbst wie eine seiner Figuren. Die Sozialwissenschaften sprächen gerne über das Traumatisierende, über die Schrecklichkeit, nicht aber über seine Anziehungskraft, das moralisch Drängende am Krieg, die gegenseitige Liebe, die Selbstaufopferung, das Hochprofessionelle der Soldaten – wie ein gut eingespieltes Basketball-Team.